Skip to content Skip to footer

Neuerscheinung bei Springer Gabler: Wissensmanagement erfolgreich umsetzen

Die Knowledge Excellence Redaktion hat Isabella Mader, die Autorin des Buches “Wissensmanagement erfolgreich umsetzen: Praxisleitfaden mit Self-Check, Toolselektionshilfe und Toolbox. ISO 9001:2015 konform” zum Interview getroffen.

Wir haben zugegeben einige herausfordernde Fragen gestellt – und waren von den Antworten überrascht. Aber lesen Sie selbst.

Isabella Mader: Im Englischen gibt es eine klassische Antwort auf die Aussage: “Wissensmanagement funktioniert nicht.” Sie lautet: “Because you’re doing it wrong.” – also, Wissensmanagement funktioniert nicht, weil Sie es falsch machen. Präziser müsste man sagen: “… weil Sie es falsch machen.”

Wissen ist eine der Schlüssel-Ressourcen des 21. Jahrhunderts. Kennen Sie eine Organisation, die Wissen und Information auf zufriedenstellende Weise gemanagt haben?

 

Zugegeben nein. Kennen Sie welche?

Foto: Wilke

 

Zufriedenstellend ist natürlich relativ. Aber es gibt eine Reihe von Organisationen, die sich dem Thema über viele Jahre lang auf professionelle Weise systematisch gewidmet haben und durchaus zufrieden mit den Ergebnissen sind. Dazu muss allerdings auch gesagt werden: Wissen entwickelt sich jeden Tag auf dynamische Weise weiter, deshalb ist Wissensmanagement zu keinem Zeitpunkt “fertig”. 

Im Buch gibt es Beispiele von Organisationen und Unternehmen, die seit vielen Jahren auf unterschiedliche, individuelle Weise das Management ihres Wissens betreiben. Darunter ist auch ein im deutschsprachigen Raum vielzitiertes Vorzeigebeispiel im öffentlichen Sektor, die Stadtverwaltung von Wien, die mehrere internationale Auszeichnungen für ihre Initiative auf der Basis des Knowledge Management Modells erhalten hat, das in diesem Buch beschrieben wird. Im Buch werden weitere erfolgreiche Beispiele aus Industrie, Gewerbe, Konzern, Mischkonzern, Infrastruktur und Handel beschrieben.

Außerhalb weniger erfolgreicher Beispiele wurde der Anspruch, Wissensarbeit produktiv zu machen,  bislang nicht flächendeckend eingelöst. Mit dem Informations- und Kommunikationsverhalten der 1990er können wir die Herausforderungen von heute nicht bewältigen.

Worum geht es eigentlich? Inmitten von Informationsflut legen wir einander mit Unterbrechungskultur lahm, verlangsamen unsere Organisationen mit künstlich überzüchteten (internen und externen) Regelwerken und brennen sie aus. Informationsmengen verdoppeln sich jährlich – die Belegschaft aber natürlich nicht: Und wir arbeiten wir mehr und schneller – bis zur Erschöpfung, obwohl sich diese Rechnung ohnehin nie ausgehen wird. Seit den 1970er Jahren haben sich die Informationsmengen verdreißigfacht – und die Anzahl der Mitarbeiter hat sich seit damals im Idealfall verdoppelt. Das Fazit lautet: Wir müssen nicht mehr und nicht schneller arbeiten, sondern anders. Die Fragen sind die gleichen geblieben. Die Antworten müssen sich ändern.

 

Was sind also nun die zentralen Veränderungen, die Wissensmanagement heute bedeutender denn je machen?

Die Menge an Wissen und Informationen im Arbeitskontext hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Wir gehen in Informations- und Kommunikationsflut unter, die Produktivität von Wissensarbeit bleibt deutlich hinter den Erwartungen,  Unterbrechungskultur und unproduktive Meetings lähmen Expertinnen und Experten.

Peter Drucker schrieb in der ersten Auflage seines Werks „Management Challenges for the 21st Century“ (1999): Die Herausforderung des 20. Jahrhunderts war die Steigerung der Produktivität manueller Arbeit, während der wichtigste Beitrag von Management im 21. Jahrhundert sein wird, die Produktivität der Wissensarbeit zu erhöhen.” Wo genau stehen wir da?

Die Antwort: Unsere Arbeitsmethoden, unsere Prozesse und Strukturen, unser Informations- und Kommunikationsverhalten sind für die Realitäten von heute nicht mehr adäquat. Wir brauchen also neue Konzepte und neue Lösungen, um Wissensarbeit im 21. Jahrhundert produktiv zu machen.

 

Stimmt, man hat den Eindruck, alle stehen knapp vor dem Burnout. Jetzt ist guter Rat teuer. Was raten Sie?

Produktivität – insbesondere die Produktivität von Wissensarbeit und Know-how, unsere Innovationskraft und Freude müssen entweder zurückgewonnen oder erhalten werden.  Es geht um nichts weniger als um die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit und die Zukunftsfähigkeit der Organisation und ihrer Mitglieder – und darum, wie wir all dies gemeinsam sicherstellen.

Wir stehen vor der Herausforderung einer ganzen Generation, das industriegesellschaftliche Mindset und dessen Arbeitsorganisation zu überwinden, weil es uns lähmt und ausbrennt. Dazu müssen wir Zusammenarbeit und Wissensarbeit so managen, dass sie der Inbegriff jener inspirierenden Arbeitskultur wird, die einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts würdig ist. Ja, das ist möglich – aber nur, wenn wir aufhören, Wissensarbeit so zu managen, wie wir körperliche Arbeit optimiert haben. Wissensarbeit gehorcht ganz anderen Prinzipien. Körperliche Arbeit steigert ihre Leistungsfähigkeit, wenn sie besser bezahlt wird, wenn Boni geboten werden. Nicht so bei Wissensarbeit. Menschen, die für ihr Wissen bezahlt werden, lassen sich mit Bonifikationen nicht “bestechen”: Die Leistung sinkt sogar, wenn es versucht wird, das zeigen eine Vielzahl von Studien.
Was also tun? 
Der Anspruch muss sein, Wissensarbeit produktiv zu machen. Nur sehr wenige Organisationen weltweit können von sich behaupten, diesen Anspruch eingelöst zu haben. Mit Informations- und Kommunikationsverhalten der 1990er verschlimmern wir unsere Situation noch, vergeuden bis zu drei und mehr Stunden pro Tag und Person, weil wir einander dauernd unterbrechen, wir verlangsamen unsere Organisationen mit künstlich überzüchteten (internen und externen) Regelwerken und brennen sie aus. Bei jährlich verdoppelten Informationsmengen arbeiten wir mehr und schneller – weil die jährliche Verdoppelung der Belegschaft unrealistisch als Erwartung ist. Wir müssen deshalb nicht mehr und nicht schneller arbeiten, sondern anders.
Die Fragen sind die gleichen geblieben. Die Antworten müssen sich ändern.

 

Seit den 1990er Jahren wird Software als Lösung für Wissensmanagement angepriesen, ja geradezu mit Wissensmanagement gleichgesetzt? Ist Software die Lösung?

Nun, wäre Software die Lösung für die Produktivitätsprobleme in der Wissensarbeit, dann sollte die Sache ja längst erledigt sein, nicht wahr? Was wir jedoch sehen ist die Zunahme der Herausforderungen, der Überforderung, der Verlangsamung. Die Informationsmengen haben sich seit den 1970er Jahren zumindest verdreißigfacht, die Geschwindigkeit der Prozessoren versiebentausendfacht. Warum suchen wir dennoch so lange wie vor 20 Jahren? Software ist nützlich, aber sie wird auch künftig nicht die Lösung sein, wenn wir ohne Strategie, ohne Disziplin und ohne Systematik zu Werke gehen. Wenn wir Wissensarbeit produktiv machen wollen, werden wir systematisch herangehen müssen – so wie wir das bei anderen Management-Systemen auch machen, etwa bei Qualitätsmanagement, Risikomanagement, Prozessmanagement.

 

Können Sie uns eine kurze Übersicht über die Herausforderungen geben, um die es in der Wissensarbeit heute geht?

Sehr gerne. Womit sich Organisationen und Wissensarbeit herumschlagen sind:

Wissensverlust: Organisationskritisches Wissen geht in Pension oder zur Konkurrenz, während wir immer noch annehmen, alles Wissen wäre dokumentierbar oder recherchierbar, also dass man zentrales Know-how “googeln” könne. Nein – oft geht Schlüssel-Expertise unwiederbringlich verloren.

Unterbrechungskultur: Das Informationsverhalten der 1970er oder der 1990er dient einer Arbeitsumgebung der 2020er-Jahre nicht. Mit diesem Mindset entwickeln wir Tools, die noch mehr Unterbrechungen generieren. Damit erhöhen wir die Fehlerrate, konsumieren bis zu 40 Prozent der Tagesarbeitszeit völlig unproduktiv mit Rückkonzentration. 40 Prozent!

Informationsflut: Wir erhöhen die Informationsmengen, um Rückfragen zu reduzieren, und erreichen das Gegenteil: mehr Rückfragen, schlechtere Entscheidungen, mehr Fehler.

Suchzeiten: Wir suchen im Durchschnitt eine bis drei Stunden (!) pro Person und Tag nach Informationen, während mit geeignetem Informationsmanagement Suchzeit zu einer vernachlässigbaren Größe werden könnte.

Zusammenarbeitskultur: Unproduktive Meetings und Konkurrenzverhalten zwischen Personen und Bereichen sind nur zwei der vielen Highlights fehlender Kollaborationskultur.

Tool-Inflation: Wir wechseln hunderte Male pro Tag zwischen Dutzenden Applikationen: Dieses haarsträubende Ergebnis stammt aus einer Analyse von 5 Millionen Arbeitsstunden im Rahmen einer Pega-Studie aus 2018.

 

Wie kann nun Wissensmanagement helfen?

Zeitgemäßes Wissensmanagement folgt diesen Prinzipien: 

• es ist von der Gesamtstrategie einer Organisation abgeleitet,

• es wird prinzipiell gemeinsam erarbeitet, um Mittragen und eine breite Basis sicherzustellen,

• es stellt systematisch mithilfe eines Self-Checks und einer Diskussion (nicht über das Bilden von Mittelwerten!) die konkreten Bedarfe fest,

• es wählt mithilfe einer Tool-Selektionshilfe passende Methoden aus,

• Wissensmanagement Aufgaben werden in die Prozesse integriert und wird damit Teil der laufenden, täglichen Aufgaben,

• und es stiftet messbaren Nutzen. Die Wiederholdung des Self-Checks etwa in einem Jahr generiert eine erste Vergleichbarkeit und Messbarkeit: Haben die gewählten Maßnahmen die gesetzten Ziele erreicht? Sind die Bewertungen besser geworden?

 

Der Self-Check im Buch kann sofort angewendet werden?

Grundsätzlich kann der Self-Check direkt eingesetzt werden. Macht man sich die Mühe, die Fragen auch an die Geschäftsstrategie anzupassen, wird zusätzlich noch ein Alignment mit der Strategie erreicht – es kann also dargestellt werden, wie Wissensmanagement in die Geschäftsstrategie hineinarbeitet.

 

Mit den Ergebnissen des Self-Checks können Teams dann direkt in der Toolselektionshilfe nachsehen und die vorgeschlagenen Methoden in der Toolbox nachlesen. Klingt recht einfach.

Das ist es auch. Ich würde sagen: Es kann losgehen!


Leave a comment


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

0